Demokratie, das beste aller Systeme?
Die Digitalisierung ist ein globales Phänomen, es hat damit das Potenzial eine echte, gleichberechtigte Weltgemeinschaft zu etablieren. Heute ist es problemlos möglich, mit nahezu allen Menschen in allen Teilen der Welt in Echtzeit zu kommunizieren. Sprachbarrieren werden mühelos von Software überbrückt, eine Weltsprache kann entstehen, die aus allen bekannten Sprachen besteht, welche völlig frei und unabhängig sein könnten und doch wäre jeder Mensch fähig, die Sprache jedes anderen Menschen mühelos zu verstehen. Dies zusammen wäre mehr als der Internationalismus der Kommunisten, es würde eine Weltgemeinschaft, eine Weltgesellschaft möglich machen.
Dieses Phänomen ist heute schon allgegenwärtig. Es löst eine ebenso extreme Gegenbewegung aus, eine Reaktion. Überall auf der Welt kann man einen Rückfall in den Nationalismus beobachten. Nationalismus als Ideologie, und darum handelt es sich ja hier, endet in Barbarei, wie es uns, aus der europäischen Geschichte bekannt ist. Auf den ungebremsten Informationsfluss, welcher der Digitalisierung innewohnt, reagieren die Inhaber der Macht mit hilfloser Zensur und Manipulation der Informationen. (Und das gilt auch für einst bürgerliche, liberale Staaten, die bis dahin wenigstens den Schein eines Respekts gegenüber der freien Meinungsäußerung aufrechterhielten).
So bedrückend Nationalismus, Zensur und Willkür auch sind, wie stark diese Reaktion auch ist, in einer vollkommen globalisierten und digitalisierten Welt werden diese Phänomene auf Dauer keine Rolle spielen können. Wirken sie doch schon jetzt, am Beginn dieser neuen Entwicklung, hilflos und jämmerlich, allerdings dadurch umso gefährlicher.
Wenn es aber möglich ist, eine Weltgemeinschaft zu etablieren, wie könnte dann ein politisches System, was dem gerecht wird, aussehen? In der klassischen Politik (also der Wissenschaft des Zusammenlebens) und in der politischen Philosophie, teilt man oft in ein idealtypisches System und eins, was unter den realen Verhältnissen durchsetzbar wäre.
In der Antike bis zur frühen Neuzeit kennt man typischerweise die denkbaren Gesellschaftsformen als Sechsergruppe mit 3 guten und 3 schlechten Formen. Die guten sind da meist die Monarchie, als Herrschaft des Einen jedoch Guten, die Aristokratie als Herrschaft der Wenigen jedoch Fähigen, die Polite als Herrschaft der Vielen jedoch Würdigen. Die schlechten Formen sind mehrheitlich die Demokratie als die Herrschaft des Volkes und damit der Armen, die Oligarchie als die Herrschaft der wenigen Reichen und die Tyrannis als die Herrschaft eines Despoten, eines Tyrannen.
In der Neuzeit wandelt sich die Polite langsam in den wesentlich komplexeren Liberalismus oder in eine repräsentative Demokratie, was einer Staatsherrschaft gleich kommt. Die klassische Demokratie wandelt sich in den Kommunismus, der Diktatur des Proletariats. Seit der Aufklärung und dem Aufkommen des Individuums als politischer Akteur entstand eine weitere denkbare politische Form, der Anarchismus. War die Anarchie in der Antike lediglich die Abwesenheit des Staates, also das Nichtvorhandensein der Gemeinschaft, wurde er mit dem Aufkommen der Menschenrechte als Naturrecht und dem souveränen Individuum, als eine Herrschaft ebendieses Individuums, zum Nutzen aller begriffen.
Bereits Cicero erkannte, dass eine reine Herrschaft der oben beschriebenen 6 Formen einer komplexen Gesellschaft niemals gerecht werden würde und dass die einzelnen Formen sich immer, in einem Abwärtstrend, zum Schlechten und zur Instabilität bewegen. Er schlug also eine Verbindung aller Formen vor, was man als eine frühe Form der dialektischen Betrachtungsweise interpretieren könnte.
Nun gibt es in der Politik keinen moralischen Dualismus, der leicht gute von schlechten Gesellschaftsformen unterscheiden kann. In einer hochkomplexen modernen Gesellschaft, und erst recht in einer Weltgemeinschaft, gibt es so viele legitime Einzelinteressen und grundverschiedene Ausgangssituationen, dass es unmöglich wird ein System zu etablieren, was dem gerecht werden könnte. Die einzige Möglichkeit, die es gibt, ist die konsequente Anwendung der dialektischen Betrachtungsweise.
Da es ausgeschlossen ist, dass sich die Widersprüche vereinen lassen, müssen sie als Widersprüche akzeptiert sein. In der Dialektik gibt es den Dreischritt der These, Antithese und Synthese. Dabei lösen sich die widerstrebenden Teile, These und Antithese, in der Synthese auf. Wie diese Synthese in einer hochkomplexen Welt gelingen kann, ist eine Herausforderung der Menschheit. Auch da, und gerade da, kann uns eine Digitalisierung der offenen Quellen von enormen Nutzen sein.